Die Welt zu Gast bei Menschenfeinden
Lies bis zum Ende für ein fantastisches Stück Musik-Geschichte
Yes, Freitagabend 21:00 Uhr!
Ein guter Zeitpunkt, um ein paar Dinge loszuwerden. Geteiltes Leid ist halbes Leid, heißt es ja so schön. Und nach allem, was ich nach viereinhalb Jahren Psychotherapie sagen kann, ist das korrekt. Es macht das Leben leichter, wenn man sich mitteilt. Wenn man nicht alles nur mit sich selbst ausmacht. Wenn man Dinge ausspricht und nicht nur im eigenen Kopf Spazieren führt. Wobei, Stopp, anstatt man muss es natürlich ich heißen. Schließlich geht es darum, für sich selbst Verantwortung zu übernehmen.
Weg also mit diesen unpräzisen Verallgemeinerungen. Es geht ums Ich. Und das, was da dranhängt - die Familie, die Freunde, das Umfeld, in dem ich mich bewege. Und letztlich auch die Welt, in der ich leben darf.
Es ist ein Geschenk, hier zu sein. In Deutschland. In Freiheit, Sicherheit, Wohlstand. Schlechtes Internet, ok. Aber was für Milliarden Menschen jenseits der Vorstellungskraft liegt, ist für mich Standard. Obliegt mir dann nicht auch eine besondere Verantwortung, Dinge anders zu gestalten, mich anders zu verhalten, mich anders durch das Leben zu bewegen?
Was zum Beispiel ist mit dieser verfickten Fußball-Weltmeisterschaft? Ich bin ein riesiger Fußballfan. Ich habe selbst jahrelang als Rechtsaußen gekickt (übrigens die einzige Zeit in meinem Leben, die ich mich rechtsaußen bewegt haben werde) und sogar in der Landesliga die eine oder andere Bude machen können. Irgendwann wurden dann andere Dinge wichtiger, HipHop, Rap, Auflegen, Filme machen, Studium, ok. Auch war ich sicherlich weder diszipliniert noch talentiert genug, um im Fußball weiterzukommen. Aber die Liebe zum Spiel ist geblieben.
Was also um Himmels Willen soll ich jetzt aus dieser WM machen? Das Spiel ist schon lange nicht mehr das, wofür Abertausende von Mädels und Jungs (die Ehrenamtlichen nicht zu vergessen) jede Woche auf den Plätzen dieser Republik stehen.
Aber die WM in Katar setzt dem ganzen die Krone auf. Nein, falsches Bild. Sie zieht den Fußball in den Dreck. Das ist die richtige Beschreibung. Sie macht Fußball endgültig zum Spielball der Politik. Und in diesem ganz konkreten Fall zur politischen Spielmasse eines Staats, der auf Menschenrechte pfeift.
Die Dokumentationen von Julia Friedrichs und Jochen Breyer (Geheimsache Katar), Benjamin Best, Robert Kempe und Jochen Leufgens (Katar - WM der Schande) zeigen sehr eindrücklich, warum die FIFA das wichtigste Turnier im internationalen Fußball niemals an Katar hätte vergeben dürfen.
Aber genau da liegt das Problem: Sie haben es passieren lassen. Die Geld- und Macht-gierige Elite des Weltfußballs hat zugelassen und davon profitiert, dass ein Land, das all jene Lebensweisen mit Gefängnis bestraft, die sich die FIFA nur all zu gern auf die hübschen Regenbogen-Fahnen schreibt. Zum Kotzen.

Was also machen? Die WM boykottieren und nicht einschalten? Ändert das etwas? Habe ich damit Einfluss auf die Verhältnisse? Wird sich die FIFA dadurch ändern? Wird sich Katar dadurch bewegen?
Beim smarten Ezra Klein habe ich gelernt, dass es sich sehr wohl lohnen kann, Konsum nicht nur persönlich zu denken. Klein sagt:
Don’t think about consumption – even your consumption – as „individual“. Think of yourself as a node for social, political and moral contagion.
Sicherlich richtig. Das eigene Verhalten kann als Vorbild dienen. Das Selbst im Knotenpunkt eines größeren Miteinanders. Allerdings ist es in der Regel sehr, sehr, sehr, sehr, sehr viel anstrengender, auf der moralisch richtigen Seite zu stehen, als mit der Masse zu schwimmen. Es wäre zudem ja auch einfach viel spannender, die Spiele zu schauen, als sich in Selbsthilfeclubs zu vergewissern, dass man das richtige tut ich das richtige tue.
Aber es ist halt auch einfach so traurig. Fußball ist so schön. Was also draus machen? Wie machst du das?
Vier Absätze zu diesem Newsletter
Ich bin gerade noch dabei, herauszufinden, was ich mit diesem Newsletter wirklich anstellen will. Mir schwebt vor, Substack als eine Art öffentliches Journal zu führen. Dinge, die mich gerade beschäftigen, die mich schlauer gemacht haben, die ich gern gelesen, geguckt oder gehört habe, Erfahrungen, die ich gemacht habe, Biografisches, das ich schon immer mal teilen wollte - all das kann und wird hier eine Rolle spielen.
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Album der Woche
Seit über zwanzig Jahren lege ich jetzt bereits auf - DJing ist ein elementarer Bestandteil meiner Biografie. Auch hat meine ganze Bloggerei mit der Liebe zur Musik seinen Lauf genommen. Da das gute alte martone.de leider nicht mehr existiert, möchte ich gern meinen Newsletter nutzen, um meiner Liebe zur Musik Raum zu geben.
Wenn du also alle Zeilen dieses Newsletters total bekloppt fandest, dann kommt am Ende jeder Ausgabe wenigstens hoffentlich ein Album, ein Mixtape oder ein Track, der dir (mindestens) den Freitagabend versüßt.
Diese Woche möchte ich gern auf das famose Album von Ezra Collective „Where I’m Meant To Be“ aufmerksam machen. Was für ein Brett! Jazz, Funk, Afrobeat, HipHop par excellence. Es läuft in Dauerschleife. Seit Tagen. Auf Vinyl, per Tidal, auf meinen Boxen, auf dem Kopfhörer.
Dir einen wunderbaren Freitagabend,
Martin
Danke, Martin für die treffenden Worte zu Deinen Fußballgefühlen! Meine Entscheidung war nach Schauen der Katar Dokus und Hörens des "Geld Macht Katar" Podcasts klar: Nach den bekloppten Winterspielen in China jetzt die nächste irre Veranstaltung ohne mich. Wird persönlich sehr hart (ich liebe den Fußball und jetzt wo auch noch Mario Götze mit darf), aber ich freue mich schon über all die Uhren, die unsere Funktionäre nach der WM ihr eigen nennen dürfen. Aber bitte diesmal attraktivere als die von Sportskamerad Rummenigge.
Und danke für den Musiktipp: wird morgen in der Bahn (ein eigenes Thema) gehört.
Viele Grüße aus Frankfurt und keep rollin', Matthias