Das Beste? Die Turntables am Schreibtisch ☺️
Content Capital
Journalisten müssen zur Marke werden - wer mich kennt, weiß, dass ich mich an dieser Idee schon seit Jahren reibe. Sicher, es ist viel wert, als Expertïn auf einem bestimmten Fachgebiet wahrgenommen zu werden. Klaus liefert seit Jahren viele gute Argumente für diese Sichtweise.
Je länger ich mich allerdings damit beschäftige, wie das Internet funktioniert, umso häufiger ärgere ich mich darüber, wer als Marke wahrgenommen wird.
“In an age of content, content isn’t just something that is needed to promote your art. Increasingly, content is art or, at least, what has come to stand in for art”,
schreibt Kate Eichhorn in ihrem lesenswerten Buch Content aus der Serie MIT Press Essential Knowledge. Darin setzt sie sich mit der Frage auseinander, wie Content so zentral werden konnte, dass Menschen heutzutage 24/7 und 365 Tage im Jahr neue Inhalte erwarten. Wer liefert, der ist. Wer viel liefert, der ist noch mehr.
Für brand eins habe ich mit meinem geschätzten Kollegen Mischa Täubner im Sommer aufgeschrieben, wie sehr die Plattformen Künstlerinnen, Autoren, Filmemacherinnen und Fotografen unter Druck setzen, immer neue Inhalte zu liefern, um weiterhin sichtbar zu bleiben.
Oft sind es aber nicht die eigentlichen Werke (ein Bild, ein Text, ein Film…), die auf Social funktionieren. Vielmehr performt der Content besonders gut, der den Entstehungsprozess zeigt: Wie der Künstler im Wald Beeren sammelt, um daraus Farben für das spätere Bild herzustellen. Wie der Autor sich morgens aufrafft, um eine Runde durch die Kälte zu rennen. Ihr kennt das.
Wer sich auf das Spiel einlässt, wird mit “content capital” gesegnet, schreibt Eichhorn. Den Effekt sehen wir überall: Menschen, die auf Social große Followings haben, landen in den Talkshows, kriegen die Buchverträge, erhalten einen eigenen Podcast.
Wer ein Netzwerk aus Fans mitbringt, dem wird gegeben. Reach first, Qualifikation (manchmal) Nebensache. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das ganz gut finde, weil dadurch Menschen gesehen werden, die sonst womöglich keine Chance gehabt hätten. Oder ob ich mich darüber ärgern soll, weil es so viele tolle qualifizierte Leute gibt, die nicht gesehen werden, da sie einfach keinen Bock auf dieses Content Game haben.
Am Ende sind es vermutlich zwei Seiten einer Medaille. Würde eine Seite fehlen, gäbe es die Medaille nicht.
Womit ich mich diese Woche beschäftigt habe
Wie geht es 2023 mit dem Social Media Watchblog weiter? Auch wir sind an einem Punkt angekommen, wo wir uns sehr genau überlegen, wie können wir in diesem Content Game bestehen. Wie kriegen wir unsere Inhalte auf Social abgebildet, ohne uns die Tiefe zu nehmen? Oder sind die Inhalte am Ende womöglich egal und Simon und ich sollten sowieso einfach nur noch Fotos hochladen, wie wir zusammen durch die Alpen wandern? Time will tell.
Warum die Musikindustrie Angst vor TikTok haben muss: In meiner Januar-Kolumne für b1 wird es um das Verhältnis von Musikindustrie, Künstlern und TikTok gehen. Bislang wurden ja vor allem Erfolgsgeschichten bejubelt. Dass TikTok aber längst mehr ist als nur Discovery, fällt den Rechteinhabern langsam aber sicher auf die Füße, denn bislang gibt es keine Verträge wie wir sie von YouTube oder Streaming-Angeboten kennen.
Artist der Woche
Yes, diese Woche war wieder Zeit für das alljährliche Spotify Wrapped. Typ Abenteurer, sei ich. Nun ja. Wenn die Schweden meinen, dann nehme ich das natürlich gerne an. Und weil es sich heute quasi aufdrängt, möchte ich meinen meist gestreamten Artist des Jahres mit euch teilen: Fakear macht maximal freundliche Tanzmusik und läuft immer in Dauerschleife, wenn ich das Briefing produziere. Viel Freude beim Entdecken!
Merci für den Eichhorn Buchtipp! Hört sich sehr spannend an. Als Mitverantwortlicher für viel Content in der Logistik hinterfrage ich dieses Spiel auch täglich. Schönes Wochenende! Matthias